27.2.55

Murder is My Beat (Edgar G. Ulmer, 1955)

Mord ist mein Geschäft

»The only way I can wake up from this nightmare is to go to sleep.« Ein Cop (sentimental deadpan: Paul Langton) verknallt sich in eine verurteilte Mörderin (cheap bombshell: Barbara Payton), flüchtet mit ihr, um ihre Unschuld zu beweisen: »When a man begins to doubt what he represents is right, must be right, he’s coming apart at the seams.« Ein Mann im Irrgarten von Gewißheit und Zweifel, von Lüge und Wahrheit; die Frau, die er liebt, heißt Eden Lane: ein lockendes Versprechen, ein Kindertraum vom Weg (zurück) zur Reinheit. Edgar G. Ulmer erzählt seinen romantischen Thriller mit deutlichen Noir-Anklängen: Rückblende und Off-Kommentar, Identitätsdiffusion und Doppelspiel. Fast die ganze trübe Geschichte spielt zwischen flach beleuchteten Pappwänden, die mal ein Büro, mal eine Bar, mal ein Motelzimmer, mal eine Kirche repräsentieren. Gelegentlich läuft Ulmer (im Rahmen der budgetbegrenzten Möglichkeiten) zu gestalterischer Hochform auf, etwa wenn der Polizist die Spur der gesuchten Verbrecherin durch dichtes Schneetreiben verfolgt, oder wenn das Stampfen eines Zuges, das aufgeregte Tuten der Lokomotive, das Hin und Her der Pleuelstangen, das Dampfschnauben des Schornsteins die brodelnden Emotionen des verunsicherten Helden veranschaulicht. Ein plakatives happy ending wischt das Schwarz des irdischen Jammertals beiseite und eröffnet die Aussicht auf eine Hochzeit in Weiß, auf die Heimkehr ins Paradies.

R Edgar G. Ulmer B Aubrey Wisberg, Martin Field K Harold E. Wellman M Albert Glasser A James Sullivan S Fred R. Feitshans Jr. P Aubrey Wisberg D Paul Langton, Barbara Payton, Robert Shayne, Tracey Roberts, Roy Gordon | USA | 77 min | 1:1,37 | sw | 27. Februar 1955

# 782 | 15. Oktober 2013 

23.2.55

Des Teufels General (Helmut Käutner, 1955)

»Wer auf Erden des Teufels General war, muß ihm auch Quartier in der Hölle machen.« Nazi-Noir in Uniform: Curd Jürgens als polternder Luftwaffen-General Harras, Verantwortlicher für Entwicklung und Produktion von großdeutschen Kampfflugzeugen, der den verachteten Vertretern der Herrenrasse mit respektlosen Herrenwitzen Paroli zu bieten versucht: »Prost mit'm leeren Glas. Der Führer ist Abstinenzler.« Erst als Harras, nach zahlreichen Unglücksfällen und noch zahlreicheren Unbotmäßigkeiten, zu Abschreckungszwecken verhaftet und einer »psychologischen Behandlung« unterzogen wird, erkennt der alte Flieger die wirkliche Lage der Dinge … Jürgens verleiht dieser hochgradig ambivalenten, zwischen lukullischer Machtlust und sentimentaler Lebensfreude, soldatischer Überheblichkeit und verspäteter Erkenntnis pendelnden Figur (stellenweise übertrieben) saftig-kräftiges Leinwandleben. Die von Helmut Käutner zelebrierte grell-dunkle (Kriegs-)Stimmung – mani­scher Frohsinn, verzweifelter Idealismus, resignierte Romantik, lauernde Angst – überzeugt ebenso wie die süffisante Besetzung des schwarzledernen SS-Schurken Schmidt-Lausitz mit Viktor de Kowa, einem Sonnyboy der Ufa-Films und gelegentlichem Propagandaregisseur von Goebbels’ Gnaden; weniger treffend wirken hingegen einige kokette visuelle Chiffren (Görings dicker Schatten, Himmlers Zwicker) sowie Carl Zuckmayers (drehbuchmäßig entschärfte) Sabotage-Story um den widerständlerischen Konstrukteur Oderberg (Karl John): Gerade die sogenannten unpolitischen Techniker waren (und sind) es ja, die sich zumeist als kritiklos ergebene Helfer der Mächtigen erweisen.

R
 Helmut Käutner B Helmut Käutner, Georg Hurdalek V Carl Zuckmayer K Albert Benitz A Herbert Kirchhoff, Albrecht Becker S Klaus Dudenhöfer P Walter Koppel D Curd Jürgens, Viktor de Kowa, Karl John, Eva-Ingeborg Scholz, Marianne Koch | BRD | 120 min | 1:1,37 | sw | 23. Februar 1955

13.2.55

The Big Combo (Joseph H. Lewis, 1955)

Geheimring 99

»Hate! Hate is the word.« Lieutenant Diamond (»a righteous man«: Cornel Wilde) setzt alles daran, den berüchtigten Gangsterboß Mr. Brown (»a ›very reasonable‹ man«: Richard Conte) zu Fall zu bringen. Trotz des Einsatzes beträchtlicher finanzieller Mittel und regelmäßiger umfangreicher Razzien bleiben seine Bemühungen erfolglos: Dem selbstüberzeugt-rücksichtslosen Schurken (»First is first, and second is nobody.«), der stets ein infames Grinsen zur Schau trägt, ist mit herkömmlicher Polizeiarbeit nicht beizukommen. Diamond nimmt Browns blonde Geliebte Susan Lowell (»a wayward girl«: Jean Wallace), der er selbst mit Haut und Haaren verfallen ist, ins Visier, um auf diesem Wege justiziable Informationen zu gewinnen ... Joseph H. Lewis entwickelt aus der brisanten Dreieckskonstallation ein finsteres Melodram, in dem alles (zumeist gewalttätige) Handeln triebgesteuert, zwanghaft, alternativlos erscheint: »I live in a maze, Mr. Diamond«, bekennt Susan, »a strange, blind and backward maze, and all the little twisting paths lead back to Mr. Brown.« Plastisch gezeichnete Nebenfiguren (ein entthronter Bandenchef, der seinem Nachfolger Handlangerdienste leisten muß; zwei Killer, die einander in liebevoller Freundschaft verbunden sind; eine abgelegte Ehefrau, die sich aus Angst in den Wahnsinn flüchtet), dazu David Raksins jazzig-urbaner Score und Philip Yordans pointierte Hard-boiled-Dialoge, vor allem aber John Altons virtuose Schwarzweißkamera, die in extrem reduzierten Szenerien mittels harter Schlaglichter und tiefer Schatten, scharfer Konturen und diffuser Nebelschleier einen (beinahe) unentrinnbaren Gefühls-und Großstadtdschungel erschafft, heben »The Big Combo« in den Rang eines schwarzen Meisterwerks.

R Joseph H. Lewis B Philip Yordan K John Alton M David Raksin A Rudi Feld S Robert Eisen P Sidney Harmon D Cornel Wilde, Richard Conte, Brian Donlevy, Jean Wallace, Lee van Cleef | USA | 88 min | 1:1,85 | sw | 13. Februar 1955

# 1084 | 5. Dezember 2017