29.9.55

Rosen im Herbst (Rudolf Jugert, 1955)

Warum eigentlich trägt die Adaption nicht den Titel der Romanvorlage? Vielleicht hat es zu tun mit der Wahl der Hauptdarstellerin: Ruth Leuwerik, das damenhaft-distanzierte Anti-Seelchen des bundesdeutschen Nachkriegsfilms, liebenswürdig, aber immer ein bißchen etepetete, ist in der Rolle der Effi Briest im Grunde genommen eine glatte Fehlbesetzung; abgesehen von ihrem tatsächlichen Alter – mit 31 spielt sie eine (zu Beginn der Erzählung) 17jährige –, fehlt Leuwerik nahezu gänzlich das Naturkindliche der Figur, und wenn sich jemand in ein strenges Sittenkorsett einpassen könnte, dann wohl am ehesten ein so beherrschter (Leinwand-)Typus wie sie. Auch Theodor Fontanes kritischer Blick auf die wilhelminische Zeit, das heißt auf die versteiften gesellschaftlichen Umstände des melodramatischen Geschehens – ehrpusseliger Gatte erschießt, nachdem er zufällig einen mehrere Jahre zurückliegenden Ehebruch entdeckte, den Rivalen und verstößt seine Frau –, bleibt in der Verfilmung weitgehend außen vor. Unbeschadet dieser Mankos beweist Rudolf Jugerts geschmackvolle, naheliegenden Kitsch zumeist elegant umschiffende Inszenierung durchaus Qualitäten: Werner Kriens Eastmancolor-Kamera malt ausdrucksvoll die beklemmend-unheimliche Atmosphäre im Hause von Effis verkrampftem Mann, Baron von Instetten, der in Bernhard Wickis differenzierter Darstellung (eher noch als die Protagonistin selbst) wie ein Gefangener des hartherzigen moralischen Reglements erscheint. So überzeugt »Rosen im Herbst« zwar nicht als gelungene Bearbeitung eines großen literarischen Kunstwerks, aber immerhin als gediegen eingerichteter, tragisch endender Liebesfilm ohne Liebe.

R Rudolf Jugert B Horst Budjuhn V Theodor Fontane K Werner Krien M Franz Grothe A Walter Haag S Elisabeth Neumann P Utz Utermann D Ruth Leuwerik, Bernhard Wicki, Carl Raddatz, Lil Dagover, Paul Hartmann, Günther Lüders | BRD | 107 min | 1:1,37 | f | 29. September 1955

# 873 | 3. Juni 2014

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