1.10.59

Das Totenschiff (Georg Tressler, 1959)

»Kamele und Esel legen sich hin, wenn sie nicht mehr können. Aber der Mensch läßt sich martern. Weil er denken kann. Weil er sich Hoffnungen macht.« Eine Nutte klaut dem amerikanischen Matrosen Philip Gale (Horst Buchholz) in Antwerpen die Börse samt Seefahrtbuch. Seiner Papiere (= seiner Tatsächlichkeit) beraubt, sitzt der Schiffer auf dem Trockenen und wird zur Unperson. Ein kafkaesker Alptraum beginnt: ohne Ausweis keine Arbeit, kein Aufenthalt, kein Leben. Es bleibt die Flucht mit unbekanntem Ziel – der Weg führt vorbei an einem zarten, sommerlichen, hoffnungslosen Versprechen auf Liebe; am Ende wartet das Schicksal in Form eines rostigen Frachters, der den Tod geladen hat: Der Dienst auf der ›Yorikke‹ verheißt nichts als »blood, toil, tears and sweat«, doch ohne Erlösung, ohne Sieg, ohne Chance auf Überstehen: »Who enters here / Will no longer have existence; / His name and soul have vanished / And are gone for ever.« Georg Tresslers Adaption des Romans von B. Traven verzichtet auf den sozialkritisch-antikapitalistischen Impetus der Vorlage zugunsten der Gestaltung eines (im Camus’schen Sinne) absurden Abenteuerfilms: Die Erzählung zerfällt in einzelne, immer bedrückender werdende Episoden, um schließlich im Bild eines verzweifelten Mannes inmitten der grenzenlosen Einsamkeit des offenen Meeres zu kulminieren. Von Heinz Pehlke mit sensibler Strenge fotografiert, gewährt »Das Totenschiff« nur einen Trost: ob arme Schweine (Mario Adorf, Helmut Schmid und Günter Meisner als geknechete Maschinisten) oder fiese Ratten (Werner Buttler und Alf Marholm als befehlshabende Exploiteure) – am Ende sind sie alle gleich. Nämlich tot.

R Georg Tressler B Hans Jacoby, Georg Tressler V B. Traven K Heinz Pehlke M Roland Kovac A Emil Hasler, Walter Kutz S Ilse Voigt P Georg Tressler, José Kohn D Horst Buchholz, Mario Adorf, Helmut Schmid, Werner Buttler, Elke Sommer | BRD & MEX | 98 min | 1:1,37 | sw | 1. Oktober 1959

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