30.5.57

Lissy (Konrad Wolf, 1957)

»Groß ist der Bedarf an Träumen, wenn die Zeiten dunkel und die Menschen ohne Hoffnung sind.« Berlin, Anfang der 1930er Jahre. Lissy Schröder (Sonja Sutter), Tochter eines sozialdemokratischen Schuhmachers arbeitet als Zigarettenverkäuferin im Automatenrestaurant »Quick«. Sie heiratet einen kleinen Angestellten, bekommt ein Kind. Der Alltag ist hart. Die weltweite Wirtschaftskrise hat auch Deutschland fest im Griff. Lissy erlebt Arbeitslosigkeit, Armut, Erniedrigung … Nach einem Roman von F. C. Weiskopf (seit 1928 Mitglied im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller) verfolgt Konrad Wolf die Lebensgeschichte einer jungen Frau, die in Versuchung gerät. Der Aufstieg ihres Mannes in der SA bringt auch Lissy das, was sie immer wollte: ein gutbürgerliches Leben in einer großen Wohnung mit Dienstmädchen und Klavier. Der Tod ihres Bruders, eines früheren Kommunisten, der von seinen Nazikameraden gemeuchelt wird, löst jedoch einen schmerzlichen Erkenntnisprozeß aus, der zu politischer Bewußtwerdung führt. Das Ziehen der richtigen Schlußfolgerung überläßt Wolf allerdings nicht dem Publikum sondern dem Off-Kommentar: »Ein jeder muß sich entscheiden, und Lissy wußte jetzt, es gibt einen Weg, einen schweren und mühsamen, aber einen ehrlichen Weg. Jeder geht ihn für sich, und doch geht keiner allein.« Die ostentative Belehrung verleiht dem Gesellschaftsdrama eine klare Parteilichkeit, die insbesondere durch das differenzierte Spiel der Hauptdarstellerin und die um einen feinschattierten Realismus bemühten Bilder des Kameramanns Werner Bergmann ihren menschlichen Bezug nicht verliert.

R Konrad Wolf B Konrad Wolf, Alex Wedding V F. C. Weiskopf K Werner Bergmann M Joachim Werzlau A Gerhard Helwig S Lena Neumann P Eduard Kubat D Sonja Sutter, Horst Drinda, Hans-Peter Minetti, Kurt Oligmüller, Raimund Schelcher | DDR | 89 min | 1:1,37 | sw | 30. Mai 1957

# 1021 | 25. August 2016

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