20.3.70

Unter den Dächern von St. Pauli (Alfred Weidenmann, 1970)

»Beruf?« – »Machen Se einfach ’n Strich.« Grobkörnige 24-Stunden-Kiez-Kolportage, die mit trivialer Eleganz mehrere Handlungsstränge verknüpft: Ein Geschäftsmann erschießt seine Gattin, weil er es nicht erträgt, daß sie allabendlich vor geilem Publikum ihre Brüste schwingt; ein biederer Studienrat wird von seinen Schülern in die Falle des süßen Lebens gelockt; ein sanfter Bänkelsänger rächt den gewaltsamen Tod seiner Frau; ein rechtschaffener Vater findet seine erlebnishungrige Tochter (»Es war ihr in Flensburg einfach zu langweilig.«) als Striptiseuse in einem Reeperbahn-Etablissement wieder und treibt ungewollt (?) ihren Preis in die Höhe … Ein Vierteljahrhundert nach ihrer ersten Zusammenarbeit (»Junge Adler«) widmen sich Autor Herbert Reinecker und Regisseur Alfred Weidenmann einmal mehr ihrem großen Thema: der Darstellung des Verhältnisses von Jung und Alt unter besonderer Berücksichtigung der (varianten) Grundsätze ethischen Handelns. »Unter den Dächern von St. Pauli«, gleichermaßen schund-veristische Studie der Doppelmoral und lüstern-zwielichtiges On-location-Sittenbild, bietet dabei Raum für markante Darstellerleistungen: Jean-Claude Pascal als melancholischer Mörder, Joseph Offenbach als faunischer Philister, Werner Peters als feister Unterweltbaron. Und Hamburg, der rot illuminierte großstädtische Sündenpfuhl, wird zum Fegefeuer, das der Provinzler notwendigerweise zu durchlaufen hat – denn: »Lübeck muß vernichtet werden!« PS: Nicht zu vergessen die Namen, diese einmaligen Reinecker-Namen: Dr. Pasucha und Hausach, Dr. Himboldt und Egon Mills (nebst Tochter Agnes).

R Alfred Weidenmann B Herbert Reinecker K Karl Löb M Peter Thomas A Horst Dotzauer S Walter von Bonhorst P Reginald Puhl D Jean-Claude Pascal, Joseph Offenbach, Werner Peters, Ralf Schermuly, Inger Zielke | BRD | 88 min | 1:1,66 | f | 20. März 1970

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