27.8.54

Bildnis einer Unbekannten (Helmut Käutner, 1954)

Eine sentimentale Komödie über Etikette und Skandal, über Malerei und Diplomatie, über Zauber und Wunder: Ein berühmter Künstler langweilt sich im Ballett, skizziert das Gesicht einer Unbekannten in der Nachbarloge, plaziert den Kopf später im Atelier auf einen hüllenlosen Körper; die unwissentlich Porträtierte ist die Frau eines Botschaftsattachés, und als das Aktgemälde anläßlich einer Wohltätigkeitsgala versteigert wird, kommt es zum gesellschaftlichen Eklat … »Selbst wenn ich für das Bild Modell gestanden hätte, wäre das denn so schlimm?« protestiert das ohnmächtige Opfer der Umstände, die aparte Nicole (Ruth Leuwerik), die früher als Chansonette Kolibri in einem Pariser Nachtclub auftrat (»Ich lag wie jede Nacht an deiner Seite, / doch ich war nicht in deinem Traum.«), die auch schon mal ein Glas Champagner zu viel trinkt, die das ganze sittliche Getue für »finstertes Mittelalter« hält. Nicoles rechtschaffen-bigotter Ehemann (Erich Schellow) kapituliert vor der Problematik der delikaten Situation, den verantwortlichen Nacktmaler (mit keckem Artistenbärtchen: O. W. Fischer) treibt zunächst das schlechte Gewissen, dann die wahre Liebe … Mit dem sogenannten richtigen Leben hat Helmut Käutners Film so viel zu tun wie Außenpolitik mit dem Weltfrieden, seine ironische Romanze ist ein köstlich falscher, beschwingt um sich selbst kreisender Kinotraum, ein irreales Licht- und Schattenspiel (Kamera: Werner Krien) in scheinbar realen Kulissen, eine kompromißlos weltferne Erzählung, so märchenhaft wie Schnee im August: »Der Tag war silberblau, / und uns zur Seite / ging wie ein Schattenbild das Glück.«

R Helmut Käutner B Hans Jacoby, Helmut Käutner K Werner Krien M Franz Grothe A Ludwig Reiber S Anneliese Schönnenbeck P Utz Utermann D Ruth Leuwerik, O. W. Fischer, Erich Schellow, Irene von Meyendorff, Albrecht Schoenhals | BRD | 108 min | 1:1,37 | sw | 27. August 1954

# 874 | 4. Juni 2014

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