22.11.59

Am Tag, als der Regen kam (Gerd Oswald, 1959)

»Charlie Brown, der hat nur immer Unsinn im Sinn.« Eine Jugendbande in (West-)Berlin: Unter Führung des herrischen, dabei höchst ver­letzbaren Werner (trinkt nur Milch: Mario Adorf), überfallen manierliche Rowdys (alle gehen – der Tarnung halber – ordentlichen Berufen nach) lüsterne Autofahrer oder mürrische Geldboten (ausnahmslos unsympathische, bezasterte Kleinbürgertypen), planen schließlich einen bewaffneten Coup auf die Abendkasse eines Autobusdepots; sie wollen alles und zwar sofort, das schöne Leben heute und nicht später – schließlich weiß niemand, ob es nicht vielleicht morgen schon den großen (atomaren) Knall gibt. Einer der Jungs, Bob (Christian Wolff), der sich verliebt hat (in ein nettes Mädchen aus dem Osten), einer, der weiter denkt als an den Kick, an den Augenblick, will aussteigen, was natürlich nicht erlaubt ist, weswegen sein verzweifeltes Befreiungsmanöver in einer Tragödie enden muß … Gerd Oswald – gebürtiger Berliner, Emigrant, Regisseur von Genrefilmen in Hollywood – nutzt die äußerlich und innerlich kaputte Stadt (die schäbigen Wohnlauben, die schuttigen Brachen, die Katakomben des zerstörten Reichstags) als Schauplatz eines dichten, visuell pointierten Noir-Krimis, der von Verlangen und Verbrechen erzählt, von abgewirtschafteten Vätern (schmierig-suberb: Gert Fröbe als versoffener Arzt ohne Approbation) und skeptischen Söhnen, die nicht so taff sind, wie sie glauben – und auch (metaphorisch) vom Regen, vom lang ersehnten, heiß erflehten, der eines Tages die Bäume erblühen, die Träume erwachen, die Glocken erklingen, von Liebe sie singen lassen wird.

R Gerd Oswald B Heinz-Oskar Wuttig, Gerd Oswald, Will Berthold K Karl Löb M Martin Böttcher A Paul Markwitz, Hans-Jürgen Kiebach S Brigitte Fredersdorf P Artur Brauner D Mario Adorf, Gert Fröbe, Christian Wolff, Corny Collins, Elke Sommer | BRD | 89 min | 1:1,37 | sw | 22. November 1959

3 Kommentare:

  1. Es ist zwar ein Film, von dem die Alten meinten, er zeige mit erhobenem Zeigefinger auf die "missratene" Jugend. Aber dafür mussten sie einiges übersehen. "Am Tag, als der Regen kam" hat mich vor längerer Zeit sehr begeistert und war eben einer jener Filme, die den Begriff "Papas Kino" für die 50er Jahre ad absurdum führten. Ich möchte mit die DVD schon lange zulegen, was jetzt nach deiner hervorragenden Verlockung endlich geschehen muss.

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  2. :) Den hätte ich auch gerne auf DVD, aber ich fürchte, da müssen wir bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten oder auf Geißendörfer und sein Großprojekt zur Digitalisierung des deutschen Films. Ich habe ihn nach vielen Jahren mal wieder im Kino gesehen. Wirklich ein starker Film. Jetzt bin ich gespannt auf Oswalds amerikanische Filme »A Kiss Before Dying« und »Screaming Mimi«, die ich mir bestellt habe. Seine »Schachnovelle« soll ja nicht so dolle sein, aber die werde ich mir auch mal besorgen.

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    1. "A Kiss Before Dying" ist ein fieser kleiner Klassiker mit einem beneidenswert gutaussehenden jungen Robert Wagner in der Hauptrolle. Auf den darfst du dich wirklich freuen. - Aus mir unerfindlichen Gründen bevorzugt Splatter-Mutti das Remake mit Matt Dillon. Möglicherweise hofft sie auf eine Hollywood-Karriere, seit sie Sean Young gesehen hat. :D

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