31.8.51

Der Untertan (Wolfgang Staudte, 1951)

»Wir sind die Elite der Na-zi-, der Na-zi-on.« Wolfgang Staudte interpretiert die dünkelhafte Subalternität des Bürgertums im (auch geistig) durchmilitarisierten wilhelminischen Kaiserreich als groteskes Vorspiel der nationalsozialistischen Katastrophe: Vom Untertan zum Untergang ist es nur ein kleiner Schritt, bloß eine schnelle Überblendung. Werner Peters spielt den heßlingen Deutschen mit feistem Specknacken und aufstrebender Barttracht als Inkarnation der Nationaltugenden Buckeln (nach oben) und Treten (nach unten), wobei seine Stimme im ersten Falle klanglos holpert, um bei anderer Gelegenheit herrschsüchtig zu schnauzen. Die archetypische Titelfigur sieht sich umringt von einem bis in die allerletzte Chargenrolle fabelhaft besetzten Typenkabinett – da sind der geltungssüchtige Staatsanwalt und der bigotte Pfarrer, der brachiale Regierungspräsident und die schweinsäugige Erbin, der schneidige Leutnant und die rührselige Jungfrau (die es nicht lange bleibt). Ihre brillante filmgestalterische Entsprechung findet die mensurscharfe Charakter-Satire in den formalistisch zugespitzten optischen (und akustischen) Attraktionen. PS: Ehre und (Un-) Treue und Tod = »Eins, zwei, drei! Silentium ex!«

R Wolfgang Staudte B Wolfgang Staudte, Fritz Staudte V Heinrich Mann K Robert Baberske M Horst Hanns Sieber A Erich Zander, Karl Schneider S Johanna Rosinske P Willi Teichmann D Werner Peters, Paul Esser, Ernst Legal, Eduard von Winterstein, Sabine Thalbach | DDR | 109 min | 1:1,37 | sw | 31. August 1951

26.8.51

An American in Paris (Vincente Minnelli, 1951)

Ein Amerikaner in Paris

Als »American in Paris« figuriert der Maler Jerry (»Back home every-one said I didn’t have any talent. They might be saying the same thing over here but it sounds better in French.« – Gene Kelly), Lustobjekt der schwerreich-kunstsinnigen Milo (»As in Venus de…« – Nina Foch) und verhinderter Liebhaber der ätherischen Lise (»I don’t like to talk about myself.« – Leslie Caron). Oscar »Schizophrenia beats dining alone« Levant, das vielleicht bissigste Knautschgesicht Hollywoods, spielt Jerrys Kumpel Adam, einen Pianisten ohne Engagement: »Did I ever tell you about the time I gave a command performance for Hitler?« Regisseur Vincente Minnelli, Szenarist Alan Jay Lerner und Produzent Arthur Freed tun erst gar nicht so, als hätten sie eine Story zu erzählen – sie spannen einfach eine filmische Leine, auf die sie ein paar frischgewaschene Gershwin-Songs hängen. Die Inszenierung der titelgeben den Tondichtung als viertelstündiges Ballett ist nicht nur das Glanzstück des Werks sondern Gipfelpunkt der Geschichte des Kinomusicals: die rasant-schwebende Choreographie (Gene Kelly), die pittoresken Dekorationen (Preston Ames) nach Vorbildern von Dufy, Renoir, Rousseau und Toulouse-Lautrec und die ausdrucksstarke Technicolor-Malerei (Kamera: John Alton) erschaffen eine aus Raum und Zeit gefallene Welt, die weder Schwerkraft noch Begrenzung zu kennen scheint.

R Vincente Minnelli B Alan Jay Lerner K Alfred Gilks, John Alton M George Gershwin A Preston Ames, Cedric Gibbons S Adrienne Fazan P Arthur Freed D Gene Kelly, Leslie Caron, Oscar Levant, Nina Foch, Georges Guétary | USA | 113 min | 1:1,37 | f | 26. August 1951

7.8.51

The Man in the White Suit (Alexander Mackendrick, 1951)

Der Mann im weißen Anzug

»Some fool has invented an indestructible cloth. Where is he? How much does he want?« Der Verrückte ist ein brillanter Wissenschaftler namens Sidney Stratton (Alec Guinness), und er will kein Geld sondern das Glück der Menschheit – die ihrerseits nicht unbedingt beglückt werden möchte. Unternehmer und Gewerkschaften sind sich einig: Ein unzerstörbares Material zerstört das empfindliche Gleichgewicht von Produktion und Gewinn, von Angebot und Nachfrage, mithin die Grundlagen von Wohlstand und Ordnung. Kurz: Die schmutzabweisende, reißfeste Wunderfaser ist der Stoff, aus dem die sozialen Alpträume sind. Alexander Mackendrick inszeniert den Interessenkonflikt zwischen Genie und Gesellschaft als schnippische Komödie mit blubbernden Retorten und asthmatischen Kapitalisten, mit explodierenden Laboratorien und standfesten Arbeitern – zugleich wirft »The Man in the White Suit« ein satirisches Licht auf das Beharrungsvermögen des Status quo und auf die Unbeirrbarkeit des menschlichen Schöpfergeistes, jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. (Oder umgekehrt.)

R Alexander Mackendrick B Roger MacDougall, John Dighton, Alexander Mackendrick V Roger MacDougall K Douglas Slocombe M Benjamin Frankel A Jim Morahan S Bernard Gribble P Michael Balcon D Alec Guinness, Joan Greenwood, Cecil Parker, Michael Gough, Ernest Thesinger | UK | 85 min | 1:1,37 | sw | 7. August 1951