18.12.69

On Her Majesty's Secret Service (Peter Hunt, 1969)

James Bond 007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät 

Bond in love! Der allzeit potente Held der westlichen Welt, für den Sex bislang nicht mehr bedeutete als ein 1953er Dom Pérignon (was freilich nicht wenig ist), findet die echte, die große Liebe. Auch sonst hält das sechste 007-Leinwand-Abenteuer einige Überraschungen bereit: zunächst einen neuen Bond-Darsteller (George Lazenby, das exemplarische Katalogbild des männlichen Mannes, der im Skidress dieselbe überzeugende Figur macht wie im tuxedo kilt), dazu eine eigenwillige weibliche Hauptfigur, kein »girl«, sondern eine Frau, die (trotz einer gewissen seelischen Labilität) dem dynamischen Superagenten das Wasser reichen kann (Diana Rigg bringt als Teresa ›Tracy‹ Di Vicenzo, geb. Draco en passant ihren Emma-Peel-Mythos in den Film ein) und, am interessantesten vielleicht, einen progressiv-dissonanten Erzählrhythmus, der – unter fast völliger Vermeidung visueller Exzentrik – die Balance findet zwischen aufreizend epischer Breite und virtuos choreographierten, exquisit geschnittenen alpinen Actionsequenzen (Regie führt Peter Hunt, der langjährige Cutter der Reihe). »On Her Majesty’s Secret Service« bietet mit Telly Savalas (als Erzschurke Ernst Stavro Blofeld ≈ Comte Balthazar de Bleuchamp), Ilse Steppat (als SSige Handlangerin Irma Bunt) sowie diversen, unter Hypnose stehenden, Schönheiten (denen der Held, soviel Bond muß sein, ganz ohne Liebesschmuß seine Virilität beweisen darf) zudem ein ansehnliches Panoptikum des Bösen – wobei die Dramatik des Falls (Erpressung der Welt mittels eines infertilisierenden Virus) zurücktritt hinter die Sensation der (trügerischen) Romantik: »We have all the time in the world.«

R Peter Hunt B Richard Maibaum V Ian Fleming K Michael Reed M John Barry A Syd Cain S John Glen P Albert R. Broccoli, Harry Saltzman D George Lazenby, Diana Rigg, Telly Savalas, Gabriele Ferzetti, Ilse Steppat | UK | 142 min | 1:2,35 | f | 18. Dezember 1969

17.12.69

Topaz (Alfred Hitchcock, 1969)

Topas

Eine Spionagefilm, der wie ein James-Bond-Abenteuer um die halbe Welt führt – von Kopenhagen über Washington, New York und Kuba nach Paris –, auf genreübliche Spannung und Sensationen jedoch weitgehend verzichtet. »Topaz« handelt von der schwierigen Enttarnung kommunistischer Spitzel in hohen französischen Regierungskreisen sowie von der klandestinen Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba, doch mehr als auf die explosive politische Gemengelage des Kalten Krieges richtet Alfred Hitchcock sein Augenmerk auf die zwischenmenschliche Dimension von Lüge und Abtrünnigkeit. Im Mittelpunkt des verzweigten Personengeflechts steht André Devereaux (Frederick Stafford – der sich geheimdienstlich-darstellerische Sporen als Gentleman-Agent OSS 117 verdiente), als französischer Agent in den Vereinigten Staaten stationiert, der nicht nur seine Frau mit einer rassigen kubanischen Freiheitskämpferin betrügt, sondern auch seine berufliche Loyalität (mindestens) halbiert. Der »Held« entpuppt sich dabei als ausgesprochen berechnender Charakter, der (als Spiegelbild der unmenschlichen Verhältnisse) immer wieder andere Figuren aufs Schachbrett schiebt und bisweilen ziemlich ungerührt über die Klinge springen läßt. Hitchcock legt nach den handwerklichen Pfuschereien von »Marnie« und »Torn Curtain« wieder größeren Wert auf sorgfältige Ausstattung und stilvolle Fotografie, inszeniert das breit angelegte, elliptisch strukturierte Werk allerdings bemerkenswert unpersönlich. It’s spy business as usual.

R Alfred Hitchcock B Samuel A. Taylor V Leon Uris K Jack Hildyard M Maurice Jarre A Henry Bumstead Ko Edith Head S William H. Ziegler P Alfred Hitchcock D Frederick Stafford, John Forsythe, Dany Robin, Karin Dor, John Vernon | USA | 143/127 min | 1:1,85 | f | 17. Dezember 1969

# 936 | 26. Januar 2015

4.12.69

Weite Straßen – stille Liebe (Herrmann Zschoche, 1969)

Der gestandene Trucker Hannes (Manfred Krug) nimmt einen jungen Anhalter als Beifahrer mit auf den Bock seines W50. Herb (Jaecki Schwarz) behauptet, die Schule nach der sechsten Klasse verlassen und seither von diversen Gelegenheitsarbeiten gelebt zu haben; schnell wird allerdings klar, daß es sich bei dem eloquenten Burschen um einen Studenten handelt, dem es an der Uni zu wirklichkeitsfern zuging. Unterwegs loten der Grünschnabel und sein »Chef« immer wieder (spielerisch aber nicht unernst) die Grenzen von Erfahrung und Neugier aus, diskutieren über eingefahrene Routen und neue Wege. Eine Frau gesellt sich zu ihnen: Johanna (Jutta Hoffmann), eine selbstbestimmte Agronomin, die sich kurz zuvor vom Vater ihrer kleinen Tochter getrennt hat. Zu dritt (genau genommen: zu viert) geht es nun weiter, das Herumschnuppern, das Austesten von Möglichkeiten, die Träumerei von einer kleinen Freiheit auf den Straßen der Republik ... Herrmann Zschoches leichthändige Regie und der lyrische Dokumentarismus des Kameramanns Roland Gräf (der schon Jürgen Böttchers (vor der Fertigstellung verbotenes) Berliner Zeitbild »Jahrgang 45« fotografierte) machen das impressionistische DDR-Roadmovie zu einem Musterfall von lässig-genauer Alltagsbeschreibung.

R Herrmann Zschoche B Ulrich Plenzdorf V Hans-Georg Lietz K Roland Gräf M Peter Rabenalt A Alfred Thomalla S Rita Hiller P Erich Kühne D Manfred Krug, Jaecki Schwarz, Jutta Hoffmann, Ulrike Plenzdorf | DDR | 76 min | 1:2,35 | sw | 4. Dezember 1969

# 1010 | 2. August 2016

1.12.69

Le clan des Siciliens (Henri Verneuil, 1969)

Der Clan der Sizilianer

Großer Cast: Jean Gabin (der alte Sizilianer, der sich irgendwann (aber wann?) zur Ruhe setzen will), Alain Delon (der sexy Gewaltverbrecher, der zwei Jahre lang keine Frau mehr hatte), Lino Ventura (der einsilbige Kommissar, der sich das Rauchen (dann doch nicht) abgewöhnt). Tolle Crew: Henri Decaë (distanzierte Kamera), José Giovanni (prägnante Dialoge), Ennio Morricone (»Boing«). Von Henri Verneuil mit fast unpersönlicher Lakonie eingerichtet, variiert »Le clan des Siciliens« schlau die alte Geschichte (besser gesagt: den alten Traum) vom perfekten (letzten) Coup und sinniert abgeklärt über die Konsequenzen mangelnder Beherrschung sowie über das Verhängnis von zu viel Wahrheit zum falschen Zeitpunkt.

R Henri Verneuil B José Giovanni, Henri Verneuil, Pierre Pelegri V Auguste Le Breton K Henri Decaë M Ennio Morricone A Jacques Saulnier S Pierre Gillette P Jacques-Eric Strauss D Jean Gabin, Alain Delon, Lino Ventura, Irina Demick, Amedeo Nazzari | F | 122 min | 1:2,35 | f | 1. Dezember 1969