20.12.68

Bengelchen liebt kreuz und quer (Marran Gosov, 1968)

George (Harald Leipnitz) kann sie alle haben und nimmt sie sich auch. Seiner gutbürgerlichen Sippschaft, insbesondere Bruder Alfred, einem züchtigen Studienrat (Herbert Bötticher), ist der abwechslungsreiche Lebenswandel des potenten Stechers ein Dorn im Auge: Man versucht den Don Juan unter die Haube zu bringen. George gelobt sich zu verloben und stellt nun jeden Abend am Familientisch eine neue Braut vor, bis er an einer von ihnen (an deren ehelicher Bestimmung die muntere Erzählung gar keinen Zweifel ließ) tatsächlich kleben bleibt – und eine klamottige Schlußpointe dem Vagabundieren des Helden ein sch(m)erz haftes Ende bereitet… Die romantische Farce (Buch und Regie: Marran Gosov) lebt von ritualisiert wiederholten Verhaltens- und Kommunikationsstereotypen und induziert aus dem Kommen und Gehen der diversen, stark typisierten sex interests der Hauptfigur die possenhafte Kritik an der Entwertung von Erotik zum Wegwerfartikel: Die Libertinage des (immerhin schon 40jährigen) »Bengelchen« erscheint weniger als freudenreicher Sinnen- oder Frei­heitsgenuß sondern lediglich als ermüdend-zwanghafte Kehrseite von sogenannter Sittlichkeit.

R Marran Gosov B Marran Gosov K Hubs Hagen, Niklaus Schilling M Martin Böttcher A Gabriel Bauer S Gisela Haller P Rob Houwer D Harald Leipnitz, Sybille Maar, Renate Roland, Herbert Bötticher, Jana Novaková | BRD | 88 min | 1:1,66 | f | 20. Dezember 1968

13.12.68

Quartett im Bett (Ulrich Schamoni, 1968)

»Berlin ist immer eine Reise wert. Börlin olwaiß iß wörß ä träwel.« 1968: Während sich in den Straßen Westberlins wildgewordene Studenten (»Radikalinskis«) und tschakobehelmte Polizisten (»Bullenschweine«) rabiate Scharmützel liefern, läßt der spätbourgeoise Kino-Bohèmien Ulrich Schamoni, eher indifferent gegenüber den semirevolutionären Zeitläuften, einen gänzlich unpolitschen, dafür hochgradig albernen culture clash der vierten Art abrollen: ›Insterburg & Co‹ (»Auf einem Himmelbett der Zeisig / er hat ein Mädchen bei sich.«) gegen ›Jacob Sisters‹ (»Klatsch, Klatsch, Schenkelchen / Opa wünscht sich Enkelchen!«) – gehobener Berliner Brettl-Blödsinn (zumeist vorgetragen auf selbstgebastelten Instrumenten) gegen zappelige sächsische Schlager-Munterkeit (begleitet von wohlfrisierten weißen Pudeln). In der Art einer aufgekratzten musikalischen Nummernrevue, nicht unbeeinflußt von Richard Lesters Running-Jumping-&-Standing-Still-Ästhetik, führt »Quartett im Bett« durch ungeheizte Schafzimmer und elegante Hotelsuiten, über ruinöse Hinterhöfe und klapprige Studiobühnen, durch Kneipen und Fernsehateliers, zum Kurfürstendamm und an die Mauer. Ein hektisch-fröhliches Stimmungsbild ohne Ziel und Plan, aber mit einem gerüttelt Maß an zeitgeschichtlichem Mutter- und Vaterwitz.

R Ulrich Schamoni B Ulrich Schamoni K Josef Kaufmann M Ingo Insterburg, Jacob-Sisters S Heidi Genée P Peter Schamoni D Insterburg & Co. (Ingo Insterburg, Peter Ehlebracht, Karl Dall, Jürgen Barz), Jacob Sisters (Johanna, Rosi, Eva, Hannelore), Andrea Rau, Rainer Basedow, Dieter Kursawe | BRD | 92 min | 1:1,66 | sw | 13. Dezember 1968

10.12.68

The Magus (Guy Green, 1968)

Teuflische Spiele 

»We shall not cease from exploration / And the end of all our exploring / Will be to arrive where we started / And know the place for the first time.« Nicholas Urfe, ein selbstgefälliger junger Intellektueller (»I’ve got everything a poet needs, exept poems.« – Michael Caine), nimmt eine Stellung als Englischlehrer auf der griechischen Insel Phraxos an, um der bedrohlich ernsthaften Beziehung mit der Stewardess Anne (»I’ve got everything an air hostess needs, exept illusions.« – Anna Karina) zu entfliehen. Urfe gerät in den Bann des faszinierend-undurchsichtigen Maurice Conchis (Anthony Quinn), der mit seiner Entourage in einer prachtvollen Villa über der blau schimmernden Ägäis residiert. Conchis (≈ ›conscious‹ ≈ ›bewußt‹), dessen temperamentvolle Persona zwischen Magier und Nervenarzt, Krösus und Kriegsverbrecher, Filmproduzent und Gott irisiert, verwickelt seinen gefühlskalten Besucher unter Aufbietung antiker Mythen und griechischer Zeitgeschichte in zahlreiche Rollen- und Maskenspiele um Liebe und Verrat, Risiko und Glück, Wahrheit und Schuld – Spiele, die letztlich keinem anderen Zweck dienen, als einen Irrenden auf den Weg zu sich selbst zu schicken … Auch wenn ein halluzinatorischer Exzentriker wie Nicolas Roeg vielleicht in tiefere Dimensionen des Stoffes hätte vorstoßen können, ist Guy Greens visuell elegante, bisweilen die Grenzen zum Camp überschreitende Adaption des Romans von John Fowles (der selbst das Drehbuch schrieb) ein bemerkenswertes (und unterhaltsames) Erzählexperiment: »The Magus« verwischt ganz allmählich die Trennlinien zwischen Realität (≈ Erlebnis) und Imagination (≈ Projektion), mündet in einen happeningartigen, fantastisch-burlesken Karneval der Seelen und endet gleichsam schwebend, ohne Aufschluß über die tatsächlichen Hintergründe des Geschehens zu geben: »Now, I will show you something. The ultimate reality … the smile.«

R Guy Green B John Fowles V John Fowles K Billy Williams M John Dankworth A Donald M. Ashton S Max Benedict P Jud Kinberg, John Kohn D Michael Caine, Anthony Quinn, Candice Bergen, Anna Karina, Julian Glover | UK | 117 min | 1:2,35 | f | 10. Dezember 1968