27.5.65

Die Geißel des Fleisches (Eddy Saller, 1965)

»Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.« Manchmal auch hinab – wie etwa den armen Barpianisten Alexander Jablonsky (von Furien gehetzt: Herbert Fux): als Knabe von der Mutter verachtet und von den Mädchen ver­lacht, kann er später nicht anders, als Frauen zu erdrosseln, neckische Wesen, die bei jeder Gelegenheit Knie, Oberschenkel, Bäuche, Busen, Hintern herzeigen, um sich im entscheidenden Moment wieder zu entziehen. Eine Zeitlang vermag Jablonsky, seinen Trieb bildkünstlerisch zu sublimieren (Stichwort: Beile in Brüsten), aber schließlich platzt ihm angesichts des allgegenwärtigen erotischen Overkills der Kragen. (»Ein gewagtes Thema!«) Eddy Saller verwandelt die Schilderung des Falles in eine pseudokumentarisch-küchenpsychologische Achterbahnfahrt durch die Geheimnisse einer Seele im nächtlichen Wien der 1960er Jahre: eine schiache Lust für den empfänglichen Voyeur.

R Eddy Saller B Eddy Saller K Edgar Osterberger M Gerhard Heinz A Rudolf Höfling S Helga Zeiner P Herbert Heidmann D Herbert Fux, Hermann Laforet, Hanns Obonya, Edith Leyrer, Ingrid Malinka | A | 78 min | 1:1,37 | sw | 27. Mai 1965

6.5.65

Schüsse aus dem Geigenkasten (Fritz Umgelter, 1965)

Hier wird zunächst einmal, wie es sich für einen Heftchenfilm gehört, ein frohes Fest der Pulp-Namen gefeiert: Die Bösen heißen Christallo, Percy, Babe und Sniff, ihr Hintermann firmiert als Doktor Kilborne (≈ der geborene Killer), das Flittchen ist eine gewisse Kitty Springfield, der Chef der Guten nennt sich (ganz ohne Doppelbödigkeit) Mr. High. G-Man Jerry Cotton, der Heftchenheld (verkörpert von der gereiften Beefcake-Schönheit George Nader), jagt zu den Klängen eines flotten Party-Marschs eine Bande, die sich mit einiger Kaltschnäuzigkeit die hinterzogenen Steuergelder eines Musikproduzenten, den Goldschatz eines Eisenbahnräubers und den geheimen Hort eines exzentrischen Sammlers aneignet. Schauplatz der knallharten Auseinandersetzung, deren Ausgang so feststeht wie die Brisk-Frisur des bundesdeutschen FBI-Agenten, ist ein synthetisches Rückpro- und Stock-footage-New York, das hin und wieder (und nicht ohne Grund) verdächtig an Hamburg erinnert. Der harmlose Quatsch dauert neunzig, von Fritz ›So weit die Füße tragen‹ Umgelter mit fernsehhafter Routine inszenierte Heftchenminuten.

R Fritz Umgelter B Georg Hurdalek K Albert Benitz M Peter Thomas A Mathias Matthies, Ellen Schmidt S Klaus Dudenhöfer P Gyula Trebitsch, Heinz Willeg D George Nader, Heinz Weiss, Richard Münch, Hemlut Förnbacher, Hans E. Schons | BRD & F | 90 min | 1:1,66 | sw | 6. Mai 1965

# 972 | 3. Oktober 2015

5.5.65

Thomas l’imposteur (Georges Franju, 1965)

Thomas, der Schwindler

»Cette guerre comença dans le plus grand désordre.« Schuf er in seiner Louis-Feuillade-Hommage »Judex« eine Phantasmagorie der »nicht glücklichen« Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, wendet sich Georges Franju mit der Adaption eines Romans von Jean Cocteau dem großen Völkerschlachten selbst zu. Protagonisten der Erzählung sind die princesse de Bormes (Emmanuelle Riva), »une amoureuse folle des modes«, glänzender Mittelpunkt der Pariser Gesellschaft, die auf eigene Verantwortung Verwundetentransporte von der Front organisiert, und der halbwüchsige Thomas (Fabrice Rouleau), dem sich als vermeintlichem Neffen eines berühmten Generals alle Türen öffnen, wodurch er die Mission der extravaganten Aristokratin hilfreich unterstützen kann. Die Prinzessin und Thomas gehen in den Krieg wie in ein Theaterstück, sie auf der Suche nach Zerstreuung und Abenteuer, er weil er Spiel und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten kann (oder will). Franju, selbst ein schwarzer Romantiker, hält den Film kunstvoll in der Schwebe zwischen Imagination und Realität, zeigt das Kriegsgeschehen bald als grausames Wirken totaler Zerstörungskräfte, bald als absurden Rummel, bald als dunkles Märchen mit brennenden Pferden und malerischen Ruinen. Die klangvolle Stimme von Jean Marais begleitet den jugendlichen Titelhelden bis an den Ort seiner Bestimmung, die Dünen der belgischen Küste: »Der Friedhof der Seeleute in Nieuport gleicht einem abgetriebenen Segelschiff. Ein tiefer Schlaf hält die Mannschaft umfangen.«

R Georges Franju B Jean Cocteau, Michel Worms, Georges Franju, Raphael Cluzel V Jean Cocteau K Marcel Fradetal M Georges Auric A Claude Pignot S Gilbert Natot P Eugène Lépicier D Emmanuelle Riva, Fabrice Rouleau, Jean Servais, Sophie Darès, Rosy Varte, Jean Marais | F | 94 min | 1:1,66 | sw | 5. Mai 1965

# 11117 | 29. Mai 2018