14.11.51

Grün ist die Heide (Hans Deppe, 1951)

Der röhrende Hirsch des deutschen Films – eine farbige Erzählung über Heimat und Heimatlosigkeit. Der aus Ostpreußen vertriebene Gutsbesitzer Lüder Lüdersen ist bei einem Vetter in der Lüneburger Heide untergekommen. Seine Bedrückung über den Verlust der Scholle kann der Entwurzelte nur vergessen, wenn er, alleine durch Wald und Flur pirschend, auf Rotwild geht. Ein (nicht mehr ganz so) junger Förster (Rudolf Prack) verfolgt die Spur dieses Wilderers wider Willen – und verliert sein Herz an dessen hübsche Tochter (Sonja Ziemann). Drei (immer fröhliche) Landstreicher begleiten das dramatisch-romantische Geschehen mit flapsigen Kommentaren und sentimentalem Gesang … Ohne die historischen Hintergründe der Flucht und Vertreibung von 14 Millionen Deutschen thematisch auch nur zu streifen, kapriziert sich »Grün ist die Heide« auf die heiter-besinnliche Beschreibung eines gehobenen Einzelschicksals und die illustrativ-idyllische Beschwörung der Ankunft in einer neuen Heimat: Traumatisierung und Fremdheit verfliegen in harmonischem Miteinander und intakter Landschaft, Probleme werden unter einen dicken Teppich aus Heidekraut gekehrt, und wenn zum guten Schluß eine schlesische Trachtengruppe dem alten Riesengebirgslied (»Wo der Rübezahl mit seinen Zwergen / heut’ noch Sagen und Märchen spinnt.«) lauscht, verwandelt sich landsmannschaftliche Tradition in folkloristische Nostalgie. Aus Liebe und Musik, Schicksal und Klamauk, Volkstümelei und Natur knüpft Hans Deppe ein filmisches Musterstück, eine alltagsferne Seelenmassage, die ein Jahrzehnt lang das bundesdeutsche Nachkriegskino prägen wird.

R Hans Deppe B Bobby E. Lüthge K Kurt Schulz M Alfred Strasser A Gabriel Pellon, Peter Schlewski, Hans-Jürgen Kiebach S Hermann Ludwig P Kurt Ulrich D Sonja Ziemann, Rudolf Prack, Hans Stüwe, Willy Fritsch, Otto Gebühr, Maria Holst | BRD | 91 min | 1:1,37 | f | 14. November 1951

8.11.51

Sündige Grenze (Robert A. Stemmle, 1951)

Kriegsbericht von der Aachener Kaffeefront: Gut organisierte Gangs von Kindern und Jugendlichen (die »Rabatzer«) schmuggeln das beliebte Genußmittel tonnenweise über die belgisch-deutsche Grenze – durch Eisenbahntunnel und Wälder, über Stacheldrahtverhaue und die Betonruinen des ehemaligen Westwalls. Der Zoll ist weitgehend machtlos, auch der Einsatz kaffeeschnüffelnder Hunde schafft kaum Abhilfe gegen das kriminelle Bandenwesen. Der junge Kölner Soziologe und Europa-Enthusiast Hans (Dieter Borsche) will das Phänomen wissenschaftlich ergründen, begegnet den Halbwüchsigen mit helfendem Verständnis – und verliebt sich in die attraktive Schleichhändlerin Marianne (Inge Egger), die dem gewissenlosen Rädelsführer Jan (Jan Hendriks) zugetan ist … Robert A. Stemmle verpackt das Thema als griffige Mischung aus zeitkritischer Gesellschaftsstudie und effektvollem Reißer. Die bewegliche Kamera (Igor Oberberg) verbindet dramatisches Helldunkel mit dokumentarischer Nüchternheit, die Verwendung von Originalschauplätzen und der Einsatz »echter« Schmuggelkinder als Komparsen sorgen für eine bisweilen fast neorealistische Authentizität. Eine leise Botschaft ist auch zu vernehmen: Die Grenzen sind das Problem, nicht diejenigen, die ihre anachronistische Existenz strafbar ausnutzen.

R Robert A. Stemmle B Robert A. Stemmle K Igor Oberberg M Herbert Trantow A Mathias Matthies, Ellen Schmidt S Walter Wischniewsky P Artur Brauner D Dieter Borsche, Inge Egger, Jan Hendriks, Peter Mosbacher, Gisela von Collande | BRD | 87 min | 1:1,37 | sw | 8. November 1951